Jugendstrafrecht wird auf Jugendliche im Alter von 14 Jahren bis zu 17 Jahren angewendet. Auf Heranwachsende (18-20) wird Jugendstrafrecht angewendet, wenn diese in ihrer Reifebildung noch Jugendlichen vergleichbar sind. Für Jugendliche oder ihnen gleichgestellte Heranwachsende gelten die strengen Strafrahmen des Erwachsenenstrafrechts nicht. Jugendliche werden danach überwiegend milder bestraft im Vergleich zu Erwachsenen.
Neuere Zahlen belegen, dass bundesweit Heranwachsende immer seltener nach Jugendstrafrecht und häufiger nach dem schärferen Erwachsenenstrafrecht verurteilt werden. Lag die Zahl der nach Jugendstrafrecht Verurteilten im Jahr 2012 bundesweit noch bei knapp 70 %, sank sie 2015 auf 62,3 % und lag 2022 nur noch bei 60 %. Dabei sind die regionalen Unterschiede gravierend:
Im Jahr 2023 wurde in Hamburg in 83 % der Fälle auf Heranwachsende Jugendstrafrecht angewendet. In Bayern und Nordrhein-Westfalen liegt die Quote bei 67 % bzw. 66,6 %, in Sachsen-Anhalt und Baden-Württemberg bei 45 %, in Sachsen bei 43 % und in Brandenburg bei nur noch 41 %. Für Berlin gibt es keine Zahlen. Nach eigener Schätzung (H. Honecker) liegt die Quote aber eher bei den Zahlen in Hamburg als jenen in Brandenburg.
Statistisch feststellbar ist weiter, dass auf nichtdeutsche Heranwachsende vergleichsweise häufiger Erwachsenenstrafrecht angewendet wurde als auf deutsche Heranwachsende. Auffällig ist auch, dass mit der Schwere der Straftat die Anwendung von Jugendstrafrecht zunimmt.
Gründe für den Rückgang der Anwendung des Jugendstrafrechts auf Heranwachsende liegen in gesellschaftlichen Stimmungen und – wie so häufig – auch aktuell im Wahlkampf. Der Kanzlerkandidat der CDU, Friedrich Merz, erklärte im September 2024 in der Bild-Zeitung, dass er kein Verständnis dafür habe, dass man über das Wahlrecht von Jugendlichen mit 16 spreche, „die Strafmündigkeit aber bei Jugendlichen zwischen 18 und 21 liegt“. Zwar verwechselt Merz hier die Strafmündigkeit (unter 14 ist man noch strafunmündig, kann also nicht bestraft werden) mit der Anwendung von Jugendstrafrecht, das sehr wohl Strafen – bei Heranwachsenden selbst Freiheitsstrafen bis zu 15 Jahren – vorsieht. Gleichwohl ist die Jugendgerichtsbarkeit dauerhaft dem Vorwurf der „Kuscheljustiz“ ausgesetzt, die nicht hart genug durchgreife. Zudem kommen Forderungen nach der Absenkung der Strafmündigkeit auf 12 Jahre, wie etwa von der AfD.
Es ist zu vermuten, dass derartige Wortbeiträge und Forderungen ihre Auswirkungen auf Jugendgerichte haben, von denen sich einer Umfrage zufolge etwa 10 % intensiv Gedanken machen, welche Akzeptanz ihr Urteil in der Öffentlichkeit haben mag. Augenscheinlich ist jedenfalls, dass die Verschärfung der strafrechtlichen Behandlung von Heranwachsenden eine wiederkehrende, allerdings jugendpsychologische Erkenntnisse bewusst negierende Forderung konservativer Kreise ist, die sich offenbar in die Zeiten der schwarzen Pädagogik des Strafens und in die ersten drei Viertel des 20. Jahrhunderts zurücksehnen.
Jugendstrafrecht Heranwachsende Strafprozess